Hochschulen sind im Wandel und befinden sich seit einigen Jahren auf dem Weg zu korporativen Akteuren. Ursprünglich war der Modus ihrer Entscheidungsstrukturen zwischen Interessensorganisationen und Arbeitsorganisationen angesiedelt. Mittlerweile verschiebt sich dieser Modus immer mehr in Richtung Arbeitsorganisation. Einige Universitäten werben sogar damit, eine unternehmerische Hochschule zu sein. Dieser Wandel beeinflusst sowohl ihre Organisationsidentität, ihre internen Steuerungsoptionen und ‐mechanismen, als auch die Produktionsebene von Forschung und Lehre sowie externe Netzwerke. Diese Tagung möchte eine erste Zwischenbilanz ziehen, wo die Hochschule als Organisation steht. Folgende Themenkomplexe sollen angesprochen werden:
- Wie kann die Hochschule als Organisation im Lichte der Organisationstheorie beschrieben werden? Bisher ist die Hochschule in der Organisationstheorie stiefmütterlich behandelt worden. Sie ist als „organized anarchy“ (Cohen/March 1974), als „garbage can“ (Cohen/March/Olsen 1972) oder als „professional bureaucracy“ (Mintzberg 1979) betrachtet worden. Diese Modelle sind alle schon mehr als 35 Jahre alt. In letzter Zeit ist häufig der Governance-Ansatz dazu verwendet worden, insbesondere im Kontext der DFG‐Forschergruppe „Governance der Forschung“. Welche Erkenntnisse konnten mit Hilfe dieses Ansatzes generiert werden? Ändern sich Hochschulen tatsächlich in Richtung auf „complete organizations“ (Brunsson/Sahlin‐Andersson 2000) mit einer Gesamtidentität, hierarchischen Strukturen und Zweck/Mittelrationalität? Wie tief greift dieser Wandel in die Organisation ein? Handelt es sich eher um Rationalitätsfassaden, die von den Aktivitätsstrukturen weitgehend entkoppelt sind, oder können wir tatsächlich hier einen tiefgreifenden organisationalen Wandel beobachten? Falls letzteres der Fall ist, nähern sich Hochschulen damit Unternehmen an, oder entstehen neue Organisationstypen, die sich auch mit Hilfe organisationssoziologischer Konzepte des Unternehmens nicht fassen lassen? Mit welchen Ansätzen kann heute die Organisation Hochschule theoretisch angemessen erklärt werden?
- Welche empirischen Ergebnisse gibt es für die Standortbestimmung der Hochschule als Organisation? Ist die ursprünglich beobachtete „lose Kopplung“ einer stärkeren organisationalen Integration gewichen? Wo steht die deutsche Variante der Organisation Hochschule im internationalen Vergleich? Welche Rolle übernehmen die neu geschaffenen Gremien der Hochschulräte und die rechtlich neu ausgestatteten Rektorate/Präsidien in der Organisationsspitze? Wie sieht die Professionalisierung der Universitätsleitung und des (mittleren) Managements langfristig aus? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den neuen Strukturen für die Rolle der Professorinnen und Professoren, der ‚Mittelbauer’ sowie für die Rolle der Studierenden?
- Neue Steuerungsmodelle sind kein Selbstzweck, sie sollen die Effizienz und Effektivität auf der Produktionsebene der Hochschule erhöhen. Führen neue Governance‐ bzw. Organisationsmodelle zu einer höheren Leistung? Welche empirischen Ergebnisse existieren über die Auswirkungen von Steuerung mittels Indikatoren (z.B. der Zusammenhang zwischen den Indikatoren Drittmittel und Publikationsoutput)? Welche Auswirkungen haben die neuen Anreizstrukturen (LOM, W‐Besoldung, Zielvereinbarungen)? Welche empirischen Erkenntnisse gibt es über die Organisation von Fakultäten, von Forschergruppen und anderen koordinierten Förderformen (SFBs etc.) sowie deren Auswirkungen auf die Forschungs‐ und Lehrperformance?
- Weitere Fragestellungen können sich auf das organisationale Feld beziehen: Welche Unterschiede gibt es zwischen staatlichen und privaten Hochschulen? Wie sehen unterschiedliche Identitäten zwischen Universitäten und Fachhochschulen aus? Welche Auswirkungen hat die zunehmende Konkurrenz zwischen beiden Typen?
Diese Aufzählung von Fragen ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft gemeint. Mit dem Call for Papers sind Kolleginnen und Kollegen angesprochen, die zu Fragen der „Hochschule als Organisation“ geforscht haben (Papers in English are welcome too!). Die Tagung hat zum einen das Ziel eine Bestandsaufnahme von Ergebnissen der Forschung über Hochschule als Organisation durchzuführen, zum anderen aber auch eine Forschungsagenda für die Zukunft zu diskutieren. Es hat sich hier ein hochaktuelles und spannendes Forschungsfeld eröffnet, das den momentanen Wandel analysieren und begleiten kann.
Die Tagung findet am 10. und 11. Juni 2011 am Zentrum für Weiterbildung der Technischen Universität Dortmund statt.
Proposals (5000 Zeichen mit Leerzeichen) sind bis zum 28.02.2011 zu senden an: uwe.wilkesmann@tu-dortmund.de
Die Benachrichtigung über die Annahme des Vortrages erfolgt bis Mitte März.
Organisation:
Prof. Dr. Uwe Wilkesmann
Lehrstuhl für Organisationsforschung und Weiterbildungsmanagement
TU Dortmund
Zentrum für Weiterbildung
Hohe Str. 141
44139 Dortmund
www.zfw.tu-dortmund.de/wilkesmann
Bei organisatorischen Fragen wenden Sie sich bitte an Frauke Reininghaus (+49-(0)231-7556630)
E-Mail: wso.zfw@tu-dortmund.de
Der Vorstand der AG Organisationssoziologie würde sich freuen, Sie in Dortmund begrüßen zu können.
Homepage der AG Organisationssoziologie:
www.organisations-soziologie.de/