New Institutionalism - 19th Workshop Jena 2024
Erinnerung: Call for papers für die Frühjahrstagung der Sektion Organisationssoziologie der DGS

Am 24./25.4.2014 findet die Frühjahrstagung der Sektion Organisationssoziologie der DGS an der Universität Kassel statt: "Auf dem Weg zur Standardorganisation? Aktuelle Transformationsprozesse im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen". Abstracteinreichung bis zum 31.1.2014

Der hohe Stellenwert von Organisationen und die fast vollständige Durchdringung fast aller Lebensbereiche durch diese sind ein allgemeines und übergreifendes Charakteristikum moderner Gesellschaften. Allerdings wurde in den Sozialwissenschaften lange Zeit darauf verwiesen, das Organisation nicht gleich Organisation ist, sondern von artverschiedenen Typen, Feldern oder Klassen von Organisationen auszugehen ist. Dies gilt für die unterschiedlichsten paradigmatischen Zugänge – z.B. solche Ansätze, die in Begriffen der Politischen Ökonomie argumentieren, ferner systemtheoretische oder auch institutionalistische Konzepte. Nicht zuletzt werden organisationssoziologisch häufig markante Unterscheidungen zwischen die Welt erwerbswirtschaftlich ausgerichteter Unternehmen und solchen formalen Gebilden herausgestellt, die primär reproduktive, infrastrukturelle oder ordnungspolitische Aufgaben übernehmen. Ein wesentlicher Teil des letztgenannten Organisationsspektrums ist mit komplexen personenorientierten Tätigkeiten oder auch „Humandienstleistungen“ befasst und erfüllt Funktionen der Bildung, der Gesundheitsversorgung und der sozialen Hilfe. In organisationstheoretische Analysen zu den entsprechenden Einrichtungen wurde dabei vielfach auf die Spezifik von Strukturen, kognitiven Referenzen oder auch gesellschaftlichen Einbettungen abgestellt: Beispielsweise galt die zentrale Stellung von Professionen als nur partiell an den Handlungsraum einer einzelnen Organisation gebundenen Akteursgruppe als Kernmerkmal von Bildungseinrichtungen, Sozialbehörden oder Krankenhäusern.

Seit einiger Zeit wächst allerdings das Bewusstsein dafür, dass die genannten Differenzierungsmomente und mit ihnen die klassischen Strukturbeschreibungen von Bildungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen immer weniger dazu taugen, deren Charakter und Dynamik unter Gegenwartsbedingungen angemessen abzubilden. In verschiedenen Zeitdiagnosen ist darauf verwiesen worden, dass die o.g. Spezifika für die Verhältnisse in den fraglichen Sektoren und Einrichtungen immer weniger strukturbildend und statt dessen bestimmte Homogenisierungstendenzen quer zu Organisationstypen und -feldern zu beobachten sind. So scheint die oben genannte Trennungslinie zwischen erwerbswirtschaftlichen und „human-professionell“ strukturierten Organisationen unschärfer geworden zu sein; öffentliche oder auch als Nonprofitorganisation verfasste Einrichtungen übernehmen Routinen und Strukturen klassischer Wirtschaftsbetriebe; zugleich erklären private Firmen, sich verstärkt an institutionellen Vorgaben (z.B. „diversity“ oder „social responsibility“) zu orientieren, die gemeinhin mit nicht-erwerbswirtschaftlichen Organisationen assoziiert werden.

Insbesondere im Hinblick auf Bildungsorganisationen wie Hochschulen wurde argumentiert, dass diese mehr und mehr die gesamte Palette jener Eigenschaften übernehmen, die für an Märkten operierende Formen charakteristisch sind – wie etwa formale Rechenschaftslegung, numerische Steuerung, organisationales Management, „corporate identity“ etc. Zahlreichen Studien zufolge werden gerade Hochschulen so zu „complete organizations“. In ähnlicher Weise werden Gesundheits- und Sozialeinrichtungen zunehmend als gewöhnliche Unter- nehmen verstanden, die zwar spezifischen Produkte herstellen, dabei aber die für erwerbswirtschaftliche Organisationen typischen Steuerungsmuster ausbilden. Die kontroverse Diskussion um die „Ökonomisierung“ oder „Managerialisierung“ von Bildungs-, Gesundheits- und Sozialorganisationen ist schillernder Ausdruck solcher Entwicklungen.

Wie weit solche Diagnosen und Beschreibungen auch immer tragen mögen, so manifestieren sich in ihnen Tendenzen der Standardisierung von Strukturen, Prozessen und Kognitionen über mehrere Organisationstypen und -sektoren hinweg. Ob Universitäten und Schulen, Krankenhäuser und Arztpraxen, Arbeitsverwaltungen und Jugendämter – das Gros der mit professionell erbrachten „Humandienstleistungen“ befassten Einrichtungen scheint sich auf dem Weg zur Standardorganisation zu befinden und dies als „normalen“ Zustand zu begreifen. Zumindest sorgt die Integration der genannten Normalitätsschablonen in diesen Einrichtungen für hybride Verhältnisse.

Die Verhandlungen der Frühjahrstagung 2014 sollen dazu dienen, a.) solche Diagnosen orga- nisationstheoretisch genauer zu fassen und zu prüfen, b.) anhand empirischer Beispiele zu reflektieren bzw. zu hinterfragen und c.) vergleichend zu untersuchen, inwieweit Standardi- sierungen innerhalb des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen gleichermaßen und in ähn- licher Weise greifen oder aber ob hier maßgebliche Differenzierungen zu beobachten sind. Eine übergeordnete Fragestellung ist zudem die nach den Konsequenzen der diskutierten Entwicklungen, auch im Hinblick auf die Art und Weise, wie und inwiefern im o.g. Sinne durchstandardisierte Organisationen bestehende „gesellschaftliche Aufträge“ erfüllen (können) und welche neuen Aufgaben und Missionen in diesen Transformationsprozessen entstehen.

Abstracts in einer Länge von bis zu 1.000 Zeichen werden bis zum 31.1.2014 erbeten an: Ingo Bode (ibode@uni-kassel.de) und Georg Krücken (kruecken@incher.uni-kassel.de)

1/20/14


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